Unser Dorf nach den Weltkriegen

Neidenfels hat nach zwei Weltkriegen sein Gesicht völlig verändert. Noch vor beinahe 200 Jahren war das Dorf eine Rundsiedlung, die sich um den Brunnen lagerte. Als sie ihre Arme streckte und nach den Tälern griff, führten enge und schmale Trampel- und Karrenwege zu den neu entstehenden Wohnvierteln. Ihnen folgten die heutigen gepflasterten Dorfstraßen. Führung und Wegbreite waren damit festgelegt und nicht mehr zu ändern. Armut, Enge und Abgeschlossenheit ließen in früheren Jahren nur Hütten der Waldarbeiter zu, eine bodenständige Baukunst, wie in den Winzerdörfern der Vorderpfalz, konnte sich hier nicht entwickeln. Natur und Bodenform bestimmten damals das Antlitz des Dorfes und seiner Wohnstätten: Blockhäuser aus Baumstämmen, Fachwerkwände, stroh- und moosgedeckte Dächer, Zäune aus gehobelten Stangen und Ästen, Chaussee und Wege, die durch Einfahren und nicht durch planmäßige Anlage entstanden.

Noch 1870 erfolgte ein rasches und planloses Wachsen des Dorfes, ohne Bebauungspläne und rechte Baugesinnung. Diese Tatsachen erschweren sehr die Sanierung des alten Dorfteils, die heute noch nicht abgeschlossen ist. Das Aufbautempo wurde bestimmt durch Entwicklung der Industrie, den immer stärkeren Bevölkerungsdruck, die Enge von Tal und Wohnraum. Während rings im Tal alle Gemeinden sich reckten, streckten und ein neues Gewand schneiderten, blieb hier alles beim alten.

Als 1931/32, im Jahre einer schweren Wirtschaftsdepression die Aufträge zurückgingen und der Markt stagnierte, hatte sich die kleine Industriegemeinde mit beinahe 60 000 RM verschuldet, eine horrende Summe für die damalige Zeit. Tilgung und Verzinsung wurden eingestellt. So katastrophal war die Lage, daß die Gemeindebeamten und Angestellten monatelang ohne Gehalt blieben und die Stromrechnungen der Pfalzwerke nicht beglichen werden konnten. Wohlfahrtserwerbslose erhielten Gutscheine zum Einkauf ihrer Lebensmittel, die Neidenfelser Geschäftsleute gegen Kredit lieferten und deren Einlösung ebenfalls Monate auf sich warten ließ. Im dritten Reich fand nur der Friedhof Erweiterung, symbolträchtig für die damalige Zeit.

1930 begann der Ausbau des Zwerlenbachweges als Notstandsarbeit mit Hilfe des freiwilligen Arbeitsdienstes und gepflastert in zwei Bauabschnitten. Heute ist nicht mehr erkennbar, daß der damalige Waldweg stellenweise nur einen Meter breit, steinig, voller Geröll und an einer Stelle sogar versumpft war. Der ehemalige Waldweg im baumbestandenen, wasserdurchrauschten Tälchen verwandelte sich in eine 4m breite, 800m lange Straße. Terassen zogen sich bergan, die Felder und Obstbäume trugen. Im November 1932 gelangten die Arbeiten zum Abschluß. So wurde aus Ödland Siedlungsland.

1872 schon pflasterte die Gemeinde den 180m langen Vordertalweg, 1877 verlängerte sie ihn um 48m, 1880/81 geschah die Pflasterung bis zur Waldgrenze. 1903 gab die Regierung d. Pf. 1 200 RM aus dem Wegbaufonds, um das obere Straßenstück bis zum Ringweg zu befestigen. Man begann mit der Arbeit an der Waldgrenze. 1912 erhielt die Straße Wasserleitung. Planer, Bezirksbaumeister Häußler, Neustadt, verwendete innerhalb des Dorfes Hartsteinpflaster und mußte nun zugestehen, daß das Sandsteinpflaster der Waldstraße “große Löcher, tiefe Geleise und Unebenheiten aufweise”, dazu alle sieben Jahre erneuert werden müsse. Als er die Hungerquelle, deren Wasser tiefe Rinnen in die Felder zog, zu fassen und auf 393m zu verrohren empfahl, verweigerten die Grundstücksbesitzer das notwendige Gelände. So beschloß er später, ein “offenes Rinnsal mit 50cm weiten, offenen Kanalrinnen” zu legen. Der Krieg vereitelte die Arbeit. 1919 lag der Weg schon “5 Jahre halbfertig da”, um dann im gleichen Jahre fertig gestellt zu werden. 1954/55 trugen die Arbeiter die bergseitige Böschung des mittleren Vordertales ab, verbreiterten die Straße von Einmündung des Kirchenweges bis Flurbergstraße und errichteten eine sandsteinverblendete Abschlußmauer mit eingebauten Treppenaufgängen.

Die Bundesstraße 39, vor Jahrzehnten einfach Chaussee genannt, mit trockenen, atemraubenden Staubfahnen, Schlaglöchern und Wasserpfützen, bekam im Juli 1927 die jetzige staubfreie Teer-Makadamdecke, nachdem man im gleichen Zeitraum die Hauptstraße auch kanalisiert hatte.

Im Hintertal wurde 1931 etwa 100m Pflaster gelegt, 1952 erfolgte der Kanalbau und 1953/54 die Neupflasterung der Abschlußwegstrecke, 1962 versah die Baufirma Fischer, Hochspeyer, im Hintertal, früher Matzenberg, dann Hewel genannt, die Strecke Staatsstraße Nr. 52 bis Mühlweg Nr. 4 mit einer Teerdecke, verbreiterte teilweise die Straße, schloß sie mit einer schön geschwungenen Mauer gegen die Äcker ab und verlegte den dortigen Dorfbrunnen in die Abschlußmauer. So entstand ein schöner und geräumiger Platz vor der alten Kinderschule, Hintertalstraße Nr. 16. Mit Anlage eines geräumigen Schuttabladeplatzes (1952) und gleichzeitigem Beginn der gemeindlichen Müllabfuhr, der ersten seit Bestehen von Neidenfels, ging Hand in Hand die Entrümpelung des Dorfes und Beseitigung der Schmutz- und Schuttablagerungsplätze an den Enden der Dorfstraßen. Ab 1. Mai 1963 führte Neidenfels die staubfreie Müllabfuhr ein. Ebenfalls 1952/53 baute die Gemeinde den sonnenverbrannten, zur Wüste gewordenen und ausgeschwemmten Friedhof, inmitten von Neidenfels gelegen, zum Schmuck- und Herzstück des Dorfes aus und gab so Toten und Lebenden eine Stätte der Ruhe, des Dankes und der Besinnung. Er ist Stolz der Bevölkerung, gerühmt von allen Besuchern. Das ebenfalls neu errichtete Ehrenmal für unsere Toten schaut in zeitloser Schönheit über die Gemeinde.

1952 entstand die Leichenhalle beim Friedhof und die Anlage des Deidesheimer Weges auf der Terasse eines Waldpfades. Ein Jahr später (1953/54) kam nach langen Vorbereitungen der Bau der Flurbergstraße in Gang, nachdem die Bez.-Reg. d. Pf. ein Teilgebiet “Am oberen Flurberg” (heutige Flurbergstraße) zum Aufbaugebiet erklärt hatte. Nur in einem Falle mußte ein Enteignungsverfahren beantragt, durchgeführt und mit einem Vergleich abgeschlossen werden.

Hatte zur Zeit des Runddorfes Raumnot zur Besiedlung der drei Nebentäler gezwungen, das Industriezeitalter die Schwemmlandböden von Hinter-, Vordertal und Zwerlenbach bis zu den letzten Möglichkeiten ausgenützt, so begann nun das Erklimmen der Höhen, das Anklammern an Berghänge mit Baumschlag- und Abschwemmungsgefahr. So aber kam Neidenfels zu seiner Sonnenstraße (Flurberg) mit dem umblumten Ruhesitz, den grünen Büschen und in den Winden spielenden Birken mit ihren weißen Leibern. Die Steillage erforderte den Bau von sandsteinverblendeten Stützmauern, auf denen das ganze Oberdorf ruht. Auf ihnen entstanden Zweckbauten, in Notzeiten ohne jede architektonische Bedeutung errichtet.

Der Bau des oberen Hochbehälters auf dem Kopf des Flurberges geschah 1953/54, auch die zwei Verteiler- oder Druckzonen entstanden. Heute noch sind uns die vor Jahren angesetzten hochsommerlichen Sperrzeiten für Wasserentnahme im Gedächtnis. Doch haben wir jetzt durch die neuen Hochbehälter mit Pumpstation, Aufbereitungsanlage im Fischertal und Zubringerleitung genügend Wasser für Menschen und Gärten.

Als der motorisierte Straßenverkehr immer mehr anstieg, die Fahrbahn bei Schichtwechsel und Schulbesuch Kinder und Fußgänger gefährdete, beseitigte 1954 die Gemeinde Schmutzrinnen und stehende Wasserpfützen nördlich der Staatsstraße vom Viadukt im Westen des Dorfes, bis zur neuen Villa, Staatsstraße Nr. 4, durch Ausbau des Gehsteiges. Im darauffolgenden Jahr verlängerte sie das Trottoir von der Spinnerei bis zum östlichen Viadukt bei Haus Nr. 1. Seit dieser Zeit wurden 3400 Meter Bürgersteige angelegt zur Sicherheit der Fußgänger und Verschönerung des Straßenbildes, davon 300m zuletzt 1963.

Die 1954 erstellten Peitschenmasten und Ampeln mit Neonlicht entlang der Staatsstraße und im ganzen Dorf trugen ebenfalls zur Sicherheit des Dorfes bei. Eine im gleichen Jahr errichtete Stützmauer sichert den ausgehöhlten und von der Sprengung 1689 zerissenen Burgfelsen vor Absturz. Dauernde Nacharbeiten sind jährlich erforderlich, um das Wahrzeichen des Dorfes unfallsicher zu erhalten. Das alte Schloß erneuerte durch Freilegung des Zwingers und Ausfällung von Gestrüpp, Hecken und Bäumen sein Runzelgesicht und warf sich ein neues Kleid um.

Da die Enge des Tales den Bahnbusverkehr erschwerte, baute die Gemeinde 1956 einen Buswendeplatz westlich des Dorfes, von der Bundesstraße 39 abgetrennt durch einen schmalen Trennriegel kurzstieliger Hecken, an der Bachseite mit wasserhungrigen Weiden besetzt. Ruhebänke gestatten Wanderern und Alten, den motorisierten Verkehrsstrom ungefährdet und bedächtig zu beobachten.

Die Schulstraße, 1958/59 angelegt durch Auffüllung der beim Schulhausbau entstandenen Erdmassen, bildet den höchstgelegenen Dorfteil und damit wohl die sonnigste Anlage zusammen mit den Pavillons und Höfen des Schulhaustraktes, eingeweiht am 4. Juli 1959.

1962 legte sich das Dorf auf allgemeinen Wunsch bei der Omnibushaltestelle am Gemeindehaus eine gläserne Unterstellhalle gegen Wind und Wetter zu, Vorbild auch für andere Talgemeinden.

Die Kirchenstraße, ehemals Flurweg geheißen,1951 mit Kanal versehen, 1952 auf ihrer ebenen Fläche gepflastert, wurde 1962 von der Zwerlenbach bis zum Fuchsackerweg erweitert und mit einer Teerdecke versehen. Treppenaufgang der Kirche und Kirchenvorplatz mit Wegemauern erfuhren ihre heutige Gestalt.

Unser größtes Werk aber bestand in Planung und Errichtung der neuen Pavillonschule, moderne Bildungsstätte unserer Kinder, sonnendurchflutet, von einem Mantel aus Licht überworfen, Wallfahrtsort vieler bildungsbeflissener Menschen aus aller Welt, Denkmal des Fortschrittwillens, das eine stolze aufgeschlossene Bürgerschaft sich selbst setzte, heute Dorfkrone an Stelle der zerbröckelnden Burg und zerstörten Nikolauskapelle. Wir haben den modernen Bau mit seinen Betonkunstwerken zu einer Erholungsstätte für unsere Mitbürger gestaltet, zum kulturellen Mittelpunkt des Dorfes, das sich hier trifft bei Veranstaltungen von Schule, Jugendgruppen, Vorträgen und Tonfilmabenden. Eine Freilichtbühne mit der grünen Kulisse unserer Wälder ergänzt das Bild.

Auch an die zukünftige Entwicklung unseres Dorfes wurde gedacht. Da die Gemeinde selbst kein Siedlungsland besitzt, erstand sie 1964 eine Fläche von 63480qm Waldboden der Aspenkehle von Deidesheim, 1966 in die Neidenfelser Gemarkung einbezogen. Hier soll eine Wohnsiedlung mit etwa 40 Wohnhäusern erstehen. Die Vorplanung ist bereits im Gange.

Niemand wohl kann sich heute so recht vorstellen, wie das Dorf vor seiner Modernisierung aussah. Die alten, mit Misthaufen verunzierten Gassen waren sehr eng. Bei Haus Nr. 8 im Vordertal betrug die Breite vor der Erweiterung nur zwei Meter. Sie wurde, wo es ging, seitlich ausgeweitet, um die durch den modernen Massenverkehr entstehenden Gefahren für Leben und Gesundheit zu beseitigen. Noch 1950 begrenzten Waldböschungen die alten Straßen und Wege. Sie beschmutzten bei Regen und Wind die Fahrbahnen, umsäumten sie mit undurchdringlichem Gewirr von stacheligen Hecken und Büschen, Schuttablade- und Brennesselplätzen. Doch machten Sanierung und Modernisierung des alten Dorfteils (Mühlpfad) die meiste Sorge: schmale Straßen, hohe, zum Teil deformierte Trockenmauern, baufällige Häuser, Kellereingänge noch unter Straßenhöhe. Hier kann nur schrittweise und sehr behutsam vorgegangen werden.

Um Ober- und Unterdorf enger aneinanderzuschließen, erstellte die Gemeinde drei prächtige Treppenwege zu bergabwärts gelegenen Hangstraßen und verband so Tiefe und Höhe: Am Friedhof 1953, aufgelassen bei Friedhofserweiterung 1965, dann die Lavendeltreppe 1954, genannt nach der Bepflanzung mit Lavendel, und beim Fuchsacker 1963.

Der Wohnungsbau fand durch verschiedene Maßnahmen kräftige Förderung und ermöglichte alteingesessenen Bürger bequemer zu wohnen. Den Neubürgern gab die Gemeinde ausreichenden Wohnraum und schmolz sie in die Dorfgemeinschaft ein. Trotzdem ist die Wohnungsbelegung in Neidenfels rund 7,5 Prozent höher als in den übrigen Orten des Tales, bedingt durch Tal- und Steilhänge.

Ein Wort noch über das Einströmen der Flüchtlinge: Erst 1950 gab die frz. Besatzungsbehörde den von ihr verwalteten Raum zur Unterbringung vertriebener Deutscher frei. Vor erbarmungslosem Haß und Verfolgungen konnten sich Millionen in das ehemalige Reich retten, nackt und bloß wie die ersten Menschen, aufs Tiefste erschreckt, seelisch verwundet, körperlich fast zugrunde gerichtet. Als die Franzosen auch die Pfalz zur Aufnahme öffneten, strömten aus den überbesiedelten Grenzgebieten die unglücklichen und erschöpften Menschen in unsere Heimat. Seit 1950 mit Ende 1964 fanden in Neidenfels Unterkunft und Arbeit: Aus Ostpreußen 8 Personen, Danzig 4, Schlesien 23, SBZ = Sowjetische Besatzungszone 45, Polen 4, CSR = Tschechoslowakei 34, Jugoslawien 25, Rumänien 5, insgesamt 148 Menschen. Freilich ist der alte Stamm heute nicht mehr vorhanden: Wer bessere Arbeits-, Wohn- und Lebensbedingungen fand, wanderte ab, andere kamen an ihre Stelle. Eine ständige Fluktuation ist auch heute noch zu verzeichnen. Doch ebbt die Flut ab, die Brandungswellen des Krieges beruhigen sich.

Die neuangelegte Wasserversorgung konnte nach Bohrung zweier Tiefbrunnen, Bau eines modernen Pumpenhauses und Hochbehälters sowie der Zubringerleitung 1967 dem Dorf dienstbar gemacht werden. Für Notzeiten hat Neidenfels darüberhinaus drei Brunnen angelegt, die ihr Wasser unabhängig von der Wasserleitung aus Quellen beziehen: Die Brunnen im Hintertal, Vordertal und Zwerlenbach, einfach und schlicht gestaltet, Schmuckstücke des Dorfes.

Auch kulturelle Anliegen kamen nicht zu kurz. Zur körperlichen Ertüchtigung baute die Gemeinde Fußball- (1957/58) und Sportplatz (1961). Berghänge wurden abgegraben, das Tal aufgefüllt. Der Platz – im Schatten und Frieden der Bergwälder – schaute auf grüne Reviere und weiße Wanderwolken, eine Insel im wogenden Meer der Bergwälder.

Die Volksbücherei wurde modern eingerichtet, umfaßt 1000 und mehr Bände und wird eifrig benützt.

Auf Anregung der Verwaltung erbaute der Südwestfunk 1963 auf der Esthaler Höhe einen Umsetzer zur Verbesserung des Fernsehempfangs. Die Feldflur umfaßt nun 30 ha, ein Gebiet, das in seiner Kleinheit kaum von einer anderen Waldgemeinde des Tales übertroffen wird. Sie schrumpft durch fortgesetzte Bebauung immer mehr zusammen. Ein Beispiel mag es erläutern: Die Größe der Feldjagd betrug 1950 rund 49 ha. Sie mußte auf Antrag des FA. Lambrecht neu festgesetzt werden und umfaßt heute nur noch 19 ha. Auch die Seelenzahl ist zur Zeit nich nur stagnierend, sondern rückläufig.

Die Ortsverschönerung kam in den Jahren des Aufbaues ebenfalls nicht zu kurz: Unser uralter Dorfbrunnen, mit seinem aus einem mächtigen Sandsteinklotz gehöhlten Naden, erhielt 1963 ein neues Gesicht, 1967 entstand die heutige Anlage.

Die Kirschbaumquelle, schattiger Hochsommersitz unter Buchen und Fichten, Spielplatz der Kinder, Mittagsruhe für Müde, Rastplatz für verträumte Stunden, erstand in neuer Gestalt.

Für Erholungssuchende stellte die Gemeinde rings um das Dorf Ruhebänke bereit. Sie dienen den Spielen der Kinder, beschaulicher Ruhe und den Jugendträumen unserer Alten.

Zwei Farben dominieren in Neidenfels: Das Grün der Bergwälder und das sanfte, warme Rot des Sandsteins. Sie gestatten es nicht, daß unsere kleinen Anlagen herausfallen aus der Bordüre der Wälder. Darum legten wir Dauergrünanlagen an steile Hänge, umbuschten Straßen und Wege mit Buchen und Birken, in deren Blätter die Winde spielen. Betonstützmauern fanden Verblendung aus heimischem Sandstein, oder, wo nicht anders möglich, Bepflanzung mit Efeu und wildem Wein. Kleine, unauffällige Blumenrabatten in Grünanlagen und hinter blühenden Hecken, vergolden den grauen Alltag und kommen dem Bedürfnis nach Schönheit entgegen.

Grau und eintönig lag das Dorf vor Jahren unter der Sonne. Heute vermitteln blitzblanke Straßen, saubere Fronten, Böschungen und Mauern, in und über denen bienenumschwärmtes Felsenkraut, Gänsekresse, Blaukissen und Flammenblumen blühen und duften, ein völlig neues Lebensgefühl. Schlingrosen und wilder Wein überklettern dunkelrote Sandsteinmauern, im Herbst in Gelb und Rot verzaubert. Von Fenstern leuchten Blumen, Vorgärten wurden neu gestaltet, Rosen- und Schnittblumenbeete angelegt und Hinterhöfe entrümpelt. Unter beträchtlichen Kosten gab die katholische Kirchengemeinde 1962 dem Kirchenvorplatz eine neue Gestalt.

Als Anerkennung geleisteter Aufbauarbeit und “besonderer Bewährung in der Selbstverwaltung” erhielt der Bürgermeister am 26. Oktober 1958 die Freiherr-vom-Stein-Plakette.

Nachdem Neidenfels 1965 im Wettbewerb “Unser Dorf soll schöner werden” aus der Haupt- in die Sonderklasse aufrückte, wurde es am 15. November 1966 im Landeswettbewerb Rheinland-Pfalz als Bezirkssieger durch das Ministerium für Landwirtschaft, Weinbau und Forsten mit dem Ehrenpreis in Silber augezeichnet und erhielt zusätzlich die Ehrenplakette der Bezirksregierung der Pfalz.

Mit einer einmaligen gewaltigen Kraftanstrengung hat die Gemeindeverwaltung das Dorf aus seinem Dornröschenschlaf erweckt. Aus dem ehemals düsteren, verschmutzten und verrußten Neidenfels ist ein Schmuckkästchen geworden. In einer immer mehr sich verdüsternden und erschütterten Welt schufen wie ein Refugium, einen Zufluchtsort, in den wir uns zurückziehen können, wenn draußen die Stürme toben.

Von Philipp Karch / Auszug aus der Festschrift zur Feier der Einweihung der neuen Sporthalle in Neidenfels am 12.Mai 1973